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Andacht September 2023Der Monatsspruch im September 2023 ist eine Frage: Jesus Christus spricht: Wer sagt denn ihr, daß ich sei? (Matthäus 16,6).„Wer bin ich?“ Mit diesen Worten überschreibt Dietrich Bonhoeffer eines seiner Gedichte, die er im Gefängnis geschrieben hat. In diesem Gedicht ringt er mit den Sichtweisen, die die Menschen in seiner Umgebung auf ihn haben. Die ihn als stark und unbeugsam erleben in einer Situation, in der so viel Verzweiflung und Todesangst herrschen. Er selber staunt darüber, daß er, der sich selber wie ein zitternder Vogel fühlt, auf andere so überlegen wirkt. Und weiß nicht recht, ob ihm diese Zuschreibung von außen nun hilft oder eher noch mehr verunsichert.Eigen- und Fremdwahrnehmung, sie sind selten deckungsgleich. Das wußte nicht nur Dietrich Bonhoeffer, das kennen die meisten von uns aus dem eigenen Leben. Was andere über uns denken und sagen, trifft in unserer eigenen Wahrnehmung oft weit an dem vorbei, wie wir uns selber sehen. Klar, dazu tragen wir selber bei, etwa weil wir meinen, bestimmten Erwartungen gerecht werden zu müssen. Oder weil viele Situationen einfach nicht dafür geeignet scheinen, uns so zu zeigen, wie wir wirklich sind. Tatsächlich ist es nicht überall ratsam, unsere verletzlichen Seiten zu zeigen, das habe ich in 35 Jahren pfarramtlichen Dienstes, manchmal sehr schmerzhaft, gelernt.Und doch merken wir, daß es uns nicht guttut, wenn wir zu viel von dem verbergen, was auch zu uns gehört. Letztlich besteht unser ganzes Leben darin, unsere eigene Identität zu finden, die sich doch immer wieder verändert. Und das im seltensten Falle kontinuierlich und linienförmig. Manchmal sind es Ereignisse, die uns vor Herausforderungen stellen, in denen wir ganz neue Seiten an uns entdecken oder endlich zulassen können. Wenn wir auch einmal schwach sein dürfen, wo wir sonst als zupackend erlebt werden. Oder genau umgekehrt, wenn wir anderen zeigen können: Da steckt noch viel mehr in mir, als was du vermutet hast. Wie gut, daß wir nicht bleiben müssen, wer und wie wir sind. „Wer bin ich?“ Diese Frage hat auch Jesus umgetrieben. Auch er mußte sein Selbstbild immer wieder hinterfragen. So beispielsweise durch die Begegnung mit der kanaanäischen Frau im Kapitel 15 des Matthäusevangeliums. Die läßt ihn erkennen, daß er nicht nur für die Angehörigen des jüdischen Volkes da ist, sondern für alle Menschen. Petrus gibt ihm auf die Frage: „Wer sagt ihr denn,daß ich sei?“ eine umwerfende Antwort: „Du bist Christus, der von Gott gesandte Retter, der Sohn des lebendigen Gottes!“ Diese Erkenntnis des Petrus hält Jesus für göttlich inspiriert. Gleichzeitig spürt er, daß sie ihn das Leben kosten wird. Einige Verse später spricht Jesus das erste Mal von seinem bevorstehenden Tod. Aber diese feste Verankerung in Gott, von der Petrus spricht, läßt ihn diesen schweren, angsterfüllten Weg gehen.
Und so stellt ja auch Dietrich Bonhoeffer am Ende seines Gedichtes fest: „Wer ich auch bin,Du kennst mich, Dein bin ich, o Gott!“
Manchmal freuen wir uns darüber, wie andere Menschen uns sehen. Manchmal erschrecken wir,wenn wir hinter die eigene Fassade schauen. Manchmal stellen wir fest, daß wir so viele Seiten in uns tragen, die wir vernachlässigt haben. Und vielleicht trauern wir auch Möglichkeiten hinterher, die wir nicht ergriffen haben, um uns noch in ganz andere Richtungen zu entfalten.Ja, wer wir auch sind, wir hätten auch ganz andere werden können. Ein Vertrauen möge uns immer wieder ermutigen und auch mit manchem versöhnen:„Wer ich auch bin, du kennst mich, dein bin ich, o Gott!“AMEN
Andacht August 2023Als Kind liebte ich, mir Höhlen zu bauen, bei schlechtem Wetter in unserer Wohnung und wenn es sonnig und warm war, im Garten. Decken oder Planen wurden zusammengetragen, gespannt und befestigt. Spielzeugritter, Indianer, weitere Decken und Kissen und alles, was unverzichtbar erschien, schleppte ich in meine Höhlen. Diese Höhlen waren ein Zuhause im Zuhause, zumindest für einige Tage. Ein Zufluchtsort, etwa, wenn die Eltern mit mir geschimpft hatten.Ein Trostort, wenn ich mir die Knie aufgeschlagen hatte, weil ich zu wild geschaukelt hatte und nach dem Absprung von der Schaukel die Landung mißglückt war. Ein Rückzugsort, wenn ich meinen Freunden aus dem Weg gehen wollte, weil die mich geärgert hatten. Ein Ort, an dem meine Kinderseele wieder ins Gleichgewicht kommen konnte, wenn es mir nicht gut ging.Der Monatsspruch für den Monat August aus dem 63. Psalm versetzt mich zurück in diese Erinnerung. Dort steht: Denn Du bist mein Helfer, und unter dem Schatten Deiner Flügel frohlocke ich. (Ps. 63,8)Dieses Wort macht mir bewußt, wie sehr mir mein Glaube, ja wie sehr Gott selbst im Laufe meines Lebens zum Zufluchtsort, zum Rückzugs- und Trostpunkt geworden ist.Wenn mein Leben aus dem Gleichgewicht gekommen ist, bei Gott, kann ich es wieder finden.Natürlich haben sich Kummer und Sorgen verändert. Heute macht mir anderes zu schaffen.ich bin lange schon erwachsen. Ich stehe mit beiden Beinen im Leben und meinen Mann in Beruf und Amt. Längst habe ich eine eigene Familie. Aber daß das Leben einem zusetzen kann, das verliert sich wohl nie. Auch der Autor unseres Psalmwortes, der spätere König David hat das erfahren. Verfolgt von seinem Gegner Saul flieht er in die Wüste. Dort muß er sich verstecken, sich sammeln und überlegen, wie er diesen Konflikt auf Leben und Tod überstehen kann. Und dort, inmitten der lebensfeindlichen Wüste macht er die Erfahrung: Bei Gott finde ich trotz allem Zuflucht. Ich finde zurück zu mir selbst. Sogar frohlocken kann ich unter dem Schatten seiner Flügel und wieder zuversichtlicher nach vorne schauen, auch wenn die Bedrohung noch nicht vorbei ist. „Unter dem Schatten seiner Flügel“, das war für David seine Glaubenshöhle. Er hat sie sich erbaut durch seine Gedanken und Gebete und hat sich dahin immer wieder zurückgezogen. „Wenn ich mich zu Bette lege, so denke ich an dich, wenn ich wach liege, so sinne ich über dich nach“, betet und schreibt er in unserem Psalm.Weg von Bedrohung flieht er hin zu dem, der sein Helfer schon immer war und weiter ist.Auch ich habe heute solche Glaubenshöhlen, durch die ich mich für einen Moment aus dem Alltag herausnehmen kann. Das können ganz konkrete Orte sein, zum Beispiel unsere Kirche.Wenn ich sie betrete, spüre ich die andere Atmosphäre, die sie ausstrahlt. Ich werde ruhig und fühle mich eingeladen, zu verweilen, zu beten oder auch nur zur Ruhe zu finden.Eine Glaubenshöhle kann der Spaziergang im Wald sein, der mich im besten Sinne des Wortes erdet und mir Herz und Sinne öffnet für den Schöpfer aller Dinge. Oder ich kann sie findenin einem Lied, einem Gedicht oder einem Buch oder an meinem Tisch mit der Kerze und dem Kreuz im Amtszimmer. Gott ist mir ein Zuhause im Zuhause, ein letztes Zuhause in dieser Welt und ein Zuhause für die Ewigkeit. Er ist und bleibt der Helfer an meiner Seite, den ich in meiner Kindheit begonnen habe zu erfahren und der mich bis heute begleitet. Er ist der, von dem ich sagen kann, „wann immer mich Angst befällt, traue ich auf dich. Ja, ich trau auf dich und ich sage: Ich bin stark in der Kraft meines Herrn.“AMEN