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Aktuelle Andachtseite

Thiede
Sankt Georg Kirche zu Thiede, Altarkreuz

Andacht November 2024

Der Monatsspruch im November 2024 sagt: „Wir warten aber auf einen neuen Himmel und eine neue Erde nach seiner Verheißung, in denen Gerechtigkeit wohnt.“ AMEN (2. Petrus 3,13)
Da könnt ihr lange warten, sagt der Spötter, der auch in mir wohnt. Der „gebildete Verächter“ religiösen Denkens wie Friedrich Schleiermacher ihn nennt. Es sind genau diese Sätze, die Karl Marx dazu brachten,
Religion als „Opium für das Volk“ zu bezeichnen. Als Droge, die die schmerzende und schmerzhafte Härte der Wirklichkeit von Leben in einen betäubend beruhigenden Nebel einhüllt.
Aber das ist falsch! Es sind nicht diese Sätze an sich, es ist vielmehr ihre Verwendung als Droge, die die Religion in Mißkredit gebracht hat. Aber wie sind solche Sätze anders zu lesen? Wie können wir sie so verwenden, daß sie in dunklen Zeiten Kraft geben?
Wahrscheinlich spielt der Monatsspruch aus dem 2. Petrusbrief auf Jesaja und dessen Visionen über die Rückkehr des Volkes Israel nach Jerusalem an: „Siehe, meine Knechte werden jubeln von Herzenslust,
ihr aber werdet schreien vor Herzeleid und heulen vor Verzweiflung …. Denn siehe, ich schaffe einen neuen Himmel und eine neue Erde. Und das Frühere wird man nicht mehr denken, und es wird nicht mehr in den Sinn kommen“ (Jesaja 65,14.17).
Das Problem dieses Gedankens ist der Ausschluß des Anderen, des Fremden, des in den eigenen Augen Andersgläubigen. Solange der Fremde selbst und das, was er oder sie repräsentiert, unannehmbar ist,
gibt es keine Gerechtigkeit. Gerechtigkeit läßt sich nur realisieren, wenn die Andere, der Fremde,
in seinem oder ihrem Anders-Sein respektiert wird. Da, wo Gerechtigkeit wohnt, Raum ist, für jeden Menschen, mehr noch, für jedes Lebewesen, seiner eigenen Art und Bestimmung gemäß zu leben.
Gerechtigkeit hat also nur sehr eingeschränkt mit Gleichheit zu tun. Ja, alle Menschen sind gleich, in dem Sinne, daß alle Menschen ein Recht darauf haben, so zu leben, wie es ihnen entspricht. Mit dem entscheidenden Zusatz: Die Eigenart und Eigenartigkeit meines Nächsten zu respektieren anstatt sie ihm aus der Hand zu schlagen. Insbesondere die drei großen monotheistischen Religionen, das Judentum,
der Islam und das Christentum stehen in der Gefahr, ihr eigenes Glaubensbekenntnis absolut zu setzen.
Das kann man daran erkennen, daß es etwas gibt, das ausgeschieden wird. Zum Beispiel die gegenwärtige Jahreslosung: „Alle eure Dinge laßt in der Liebe geschehen“ (2. Korinther 16, 14).
Ein schöner Gedanke. Sechs Verse weiter schreibt derselbe Paulus: „Wenn jemand den Herrn nicht lieb hat, der sei verflucht.“ (Vers 22) Ein häßlicher Gedanke.
Dieser eklatante Widerspruch ist nur möglich, wenn man davon ausgeht, daß es im Denken des Paulus einen Graben gibt, der Paulus selbst nicht überwindbar ist. Dieser Graben untergräbt sein Denken, so leuchtet auf der einen Seite die Liebe und so regiert auf der anderen Seite der Haß. Der neue Himmel und die neue Erde sind Bilder für ein Denken, das sich diesen Gräben nicht zur Verfügung stellt, das neue Brücken von den Gläubigen zu den Anders-Gläubigen, von den Gläubigen zu den Nicht-Gläubigen, von mir zu meinem Nächsten, der für mich immer der oder die Andere ist, baut.
Ein wesentlicher Baustoff dieser Brücken ist die Idee der Gerechtigkeit,
die Idee, daß jeder und jede das Seine oder Ihre bekommt. Wenn dies geschieht, wenn wirklich Gerechtigkeit in die Häuser von uns Menschen einzieht und bei uns wohnt, dann gibt es keinen Grund mehr für Streit und Krieg. Es sei denn, das Leben als solches, die Realität von Werden und Vergehen wird als ungerecht empfunden. „Warum bekomme ausgerechnet ich Krebs?“
„Warum muß ich das erleben, dabei habe ich mir doch nichts Zuschulden kommen lassen?“ Ist das nicht „ungerecht“? Nein, ist es nicht. Wir nennen es Schicksal. Die Fähigkeit, zu meinem eigenen Schicksal, zu dem, was mir geschickt wird, „Ja!“ zu sagen, relativiert augenblicklich meinen Haß und entzieht meiner Empörung den Nährboden. An deren Stelle tritt ein nachdenkliches: „Was habe ich in alledem gerade zu erleben?“ In diesem Geschehen verwandelt sich der allmächtige Gott in den barmherzigen Gott.
Und dann gibt es nichts und niemand mehr, was zu verfluchen wäre. AMEN

Diese Andacht ist konsequenterweise in alter Rechtschreibung verfaßt.

Sankt Georg Kirche zu Thiede, Altarkreuz

Andacht Dezember 2024

Mache dich auf, werde licht; denn dein Licht kommt, und die Herrlichkeit des HERRN geht auf über dir! (Jesaja 60,1) ruft uns der Spruch für den Dezember zu. Mit dem Licht ist das so eine Sache, wichtig ist beim Sehen der Stoff Rhodopsin. Er schimmert unter dem Elektronenmikroskop rötlich.
Er sieht aus wie eine einfache Spielfigur: Spiralig aufgerollte Eiweiße bilden einen Stil, an dem oben ein Köpfchen sitzt. Eines dieser Eiweiße besteht aus zwei Teilen, die nur lose verbunden sind. Auf dieses kommt es an, denn fällt ein Lichtstrahl darauf, nimmt dies Eiweiß in seiner Mitte die Energie auf. Verbindungen verschieben sich, es wird instabil und zerfällt. Das ganze Rhodopsin verändert dann seine Form, im Mikroskop verliert es dann sogar seine rötliche Farbe.
Rhodopsin ist im Tierreich weit verbreitet. Er findet sich in den Sehzellen von Säugetieren und Vögeln, aber auch in den Facettenaugen der Insekten. Selbst Quallen und Regenwürmer haben ihn. Denn der Stoff Rhodopsin ist ein Geschenk des Lebens von Gott und das Tor zum Licht.
Ich stehe in tiefer Dunkelheit. Vor mir liegt nur unheimliche Schwärze.
Nichts kann ich erkennen, nirgendwo ist ein Lichtstrahl am Horizont. In den Sehzellen meiner Augen liegt das Rhodopsin in ordentlichen Stapeln bereit. In der tiefen Dunkelheit hat es seine Ruheform angenommen.
Da aber fällt ein Lichtstrahl in mein Auge. Er erreicht die Netzhaut mit den Sehzellen. Das Rhodopsin in ihnen nimmt die Energie auf und zerfällt. Die Stapel geraten durcheinander. Und die Zelle erwacht, plötzlich vergrößert sich ihre elektrische Spannung. Sie hat das Licht bemerkt und gibt die Botschaft weiter. Ich stehe noch in tiefer Dunkelheit und weiß nichts davon. Vor mir ist nur unheimliche Schwärze. Sie macht mir Angst. Wer weiß, was da in der Dunkelheit lauert, wer weiß, welcher Abgrund vor meinen Füßen gähnt?
In meinem Auge bemerken jetzt die ersten Nervenzellen, wie sie erwachen.
Noch im Auge geben sie die Botschaft weiter, verstärken und vernetzen sie. Denn auch die anderen Sehzellen haben das Licht bemerkt. Schließlich erreicht die Botschaft den Sehnerv und wandert durch ihn in mein Gehirn. Darin wird es jetzt lebendig: Synapsen feuern los, elektrische Ströme flitzen zwischen den Hirnhälften hin und her. Es ist ganz unglaublich, was so ein bißchen zerfallenes Rhodopsin bewirken kann.
Ich stehe in tiefer Dunkelheit und weiß nichts davon. Wie erstarrt stehe ich da, umgeben vom Grauen der Finsternis. Keine Bewegung darf mich verraten, keinen Schritt darf ich wagen, nicht einmal laut atmen. Ich weiß nicht, was passiert; ich weiß nicht, ob es je wieder hell wird, in mir und um mich herum. Ich habe Angst.
Mein Gehirn ist jetzt hellwach. Die Botschaft aus den Augen hat meine hintere Großhirnrinde erreicht und da ist jetzt was los. 30 Bereiche müssen verschaltet werden, chemische und elektrische Botschaften sausen zwischen ihnen hin und her. Lichtstärke, Richtung, Entfernung werden berechnet, Reize aus beiden Augen vernetzt. Immer schärfer, immer deutlicher wird das Bild, das mir erscheinen soll: Das Bild von einem Licht, das in der Finsternis leuchtet.
Ich stehe in tiefer Dunkelheit und weiß nichts davon. Doch jetzt ist es soweit, die Botschaft erreicht den vorderen Teil meiner Großhirnrinde. Nervenzellen erwachen, verbinden sich, weben ein Netz aus Signalen. Und plötzlich sehe ich: Ein Licht erscheint, ganz hinten am Horizont, es leuchtet und funkelt. Die Dunkelheit weicht, Formen tauchen auf, noch grau und verschwommen, dann deutlicher: Hügel, Bäume und Häuser, die Welt wird hell. Da ist nichts, was mich bedroht. Kein unheimliches Wesen schleicht sich an, kein Abgrund gähnt vor meinen Füßen. Das Grauen in mir weicht, ich spüre zuerst Erleichterung, dann Freude. Meine ganze Welt hat sich in kürzester Zeit vollkommen verwandelt.
Und dabei ist doch nur ein bißchen Rhodopsin in meinen Augen zerfallen.
Es ist wirklich erstaunlich, welche Folgen so eine kleine chemische Reaktion haben kann! Dieser Stoff ist ein Geschenk des Lebens und das Tor zum Licht. Die Welt wird hell. Das neue Licht umhüllt mich. Ein Weg liegt zu meinen Füßen. Er führt hinunter in die Welt, dem Licht entgegen. Voll Freude gehe ich den ersten Schritt, einen Schritt ins Licht, einen Schritt zu Gott und mit Gott, der in Jesus Christus, dem Licht der Welt, zu uns kommt.
AMEN


Diese Andacht ist konsequenterweise in alter Rechtschreibung verfaßt.

Wachet, steht im Glauben, seit mutig und seid stark. (1. Kor. 16,13)
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